Derzeit ist der Begriff „Steuerberatung 4.0“ in aller Munde. Der Begriff ist angelehnt an eine Initiative der Bundesregierung: Industrie 4.0. Kernaussage der Initiative ist die Vernetzung der Produktion mit moderner Informations- und Kommunikationstechnik. Es geht also um die umfassende Digitalisierung von Geschäftsprozessen, die zunehmend auch in unserer Branche an Fahrt gewinnt.
Was bedeutet also „Steuerberatung 4.0“ für die Branche und für Mitarbeiter?
Effekte für die Branche
Wer in den letzten 25 Jahren nicht unter einem Stein gelebt hat wird es nicht abstreiten können: die IT und die durch den Siegeszug des Internets einhergehende Vernetzung ist allgegenwärtig.
Wir haben in den letzten Jahren vor allem eine Vernetzung innerhalb der Kanzleien und den Finanzverwaltungen erlebt. Der Mandant selbst wurde weitgehend konservativ bedient, wobei das Instrument E-Mail inzwischen als selbstverständliches Arbeits- und Kommunikationsmittel zwischen Steuerkanzlei und Mandanten dient.
Die „Steuerberatung 4.0“ wird die Prozesse innerhalb der Kanzlei, allerdings auch die Kommunikation und Datenübergabe zwischen Mandant, Kanzlei und Finanzverwaltungen, weiter beschleunigen und verändern.
Wir werden neue Tools am Markt sehen, die die Weitergabe von Belegen und Dokumenten vereinfachen. Die viel gepriesene „papierlose Kanzlei“ wird durch die flächendeckende Einführung von Dokumenten-Management-Systeme ein Stück realer werden. Die mehrfache Erfassung von Daten wird in Zukunft entfallen.
Alle Hersteller branchenspezifischer Software arbeiten an der noch einfacheren Integration von Kunden-Dokumenten und haben mittlerweile erkannt, oder erkennen müssen, dass der Kunde hier durch die Verbreitung von Smartphones und Tablets inzwischen ganz andere Ansprüche an seinen Dienstleister hat.
Der Mandant wird jederzeit den einfachen Zugriff auf alle seine hinterlegten Daten verlangen und den Zugriff als selbstverständlich voraussetzen. Ganz ähnlich wie beim Online-Banking oder anderen inzwischen vollkommen digitalisierten Dienstleistungen. Provokant stellen wir in den Raum, ob nicht der ein oder andere Mandantenkontakt in Zukunft über Whatsapp, Facebook oder andere Messaging Dienste abgewickelt wird.
Für Sie als Steuerkanzlei wird es ein wenig unwichtiger wo Ihre Mandanten sitzen werden, und auch für Mandanten wird Standortnähe nicht mehr die gleiche Relevanz wie in der Vergangenheit haben.
Software wird in naher Zukunft nicht mehr vollständig installiert werden und wir gehen davon aus, dass innerhalb der nächsten Jahre komplette Lösungen als Software-as-a-Service (SaaS) direkt aus der Cloud betrieben werden können. Der Vorteil für den Steuerberater – es wird keine lokale Installation der Software mehr benötigt, Updates und Betrieb der Lösung werden durch Softwareanbieter oder Dienstleister übernommen, Mitarbeiter werden keine aufwändigen Client-Lösungen mehr brauchen.
Gerade junge Kanzleien werden sich auf geringere Investitionskosten für Soft- und Hardware freuen können, da diese Lösungen häufig im Mietmodell mit monatlicher Bezahlung angeboten werden. Sie können sich somit schneller auf ihre Kernkompetenz, die Steuerberatung, konzentrieren.
Natürlich gibt es dabei auch Nachteile, zum Beispiel im Bereich des Datenschutzes. Hier eröffnen sich Spannungsfelder und potentielle Gefahren für Mandanten, Berater und auch Mitarbeiter.
Ein großer Vorteil für Sie: Sie haben die Möglichkeit Ihre Mandanten durch den Einsatz dieser Tools stärker zu binden und können insgesamt eine noch bessere, effizientere und transparentere Beratung für die Mandanten garantieren.
Effekte für das Personalmanagement
Neben rein technischen Effekten wird die Digitalisierung natürlich auch positive und negative Nebenwirkungen für Ihr Personalmanagement haben.
Mitarbeiter müssen mit den Veränderungen wachsen und sollten auf diese entsprechend vorbereitet werden. Auch wenn die Digitalisierung langsam fortschreitet, sollte man die Augen nicht verschließen. Es lohnt sich, Mitarbeiter fit für die Steuerberatung 4.0 zu machen, zu schulen und vorhandene Prozesse mit Weitsicht und Einbeziehung der Mitarbeiter weiterzuentwickeln. Niemand sollte vor diesen Umwälzungen Angst haben müssen, denn hier bieten sich auch fantastische Chancen.
Nutzen Sie „digital natives“ in Ihren Reihen als Katalysator um die nicht digital-eingeborenen Mitarbeiter zu schulen und zu unterstützen.
Ein überaus positiver Effekt der Digitalisierung: die Möglichkeiten, Arbeitsplätze zu flexibilisieren, steigen rasant. Nie war es so einfach wie heute, Home-Office-Arbeitsplätze zu gestalten oder Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, von überall aus zu arbeiten. Eine weitere interessante Möglichkeit für Kanzleien, qualifiziertes Personal zu gewinnen: Mutige können durch einen vollständigen Homeoffice-Arbeitsplatz Beschäftigte aus ganz Deutschland ansprechen – so mancher Steuerfachmann und so manche Steuerfachfrau in strukturschwachen Regionen wird eine solche Gelegenheit gerne ergreifen.
Instant Messaging Dienste erlauben hier den engen Kontakt von Angestellten trotz verteilter Standorte, die schnelle Rückfrage beim Kollegen kann also auch digitalisiert werden.
Gleichzeitig steigt mit all diesen Maßnahmen und Möglichkeiten aber auch die Gefahr übermäßigen Stresses durch eine „Always-On Kultur“. Das Recht „abzuschalten“ bleibt eines der Grundrechte, gerade bei Homeoffice-Arbeitsplätzen, und sollte auch vom Arbeitgeber als solches wahrgenommen werden.
Die Personalsuche ist von der Digitalisierung längst betroffen. Die klassischen Wege der Personalbeschaffung sind inzwischen ausgetreten, Zeitungsannoncen verlieren an Wirkung, der Markt für Steuerfachleute ist ein Arbeitgebermarkt, Personalsuche und -gewinnung findet heute weitgehend „online“ statt.
Die Anforderungen an Mitarbeiter werden um Fähigkeiten für die Digitalisierung erweitert. Dies schlägt sich inzwischen durchaus auch in Stellenanzeigen und Personalausschreibungen nieder.
Fazit
Wie alle großen Umwälzungen bietet die Digitalisierung Chancen und Risiken. Aufhalten wird sie aber keiner mehr.
Machen Sie das Beste aus einer unvermeidbaren Veränderung, nutzen Sie die sich bietenden Chancen und vermeiden Sie typische Fehler. Bei aller digitalen Euphorie sollten wir nicht vergessen, dass es stets Menschen sind, mit denen wir zusammenarbeiten.
Viel Erfolg wünscht Ihnen
Ihre Susanne Pannenbäcker (www.die-kanzleiagentur.de)